INTERVIEW
„Interkulturelles Mentoring erschließt Potenziale für die Wirtschaft“
Meral Thoms (geb. Cerci), Expertin für interkulturelle Lebenswelt- und Bildungsforschung, spricht im Interview mit der DGM über die Potenziale von Mentoring, Herausforderungen und darüber, worauf es in interkulturellen Mentoringbeziehungen ankommt.
Frau Thoms, Sie arbeiten und forschen zu den Themen kulturelle Vielfalt sowie Lebens- und Milieuforschung. Welche Potenziale von Mentoring sehen Sie speziell im Bereich Migration?
Die Statistiken zum demografischen Wandel und zu Migrationsbewegungen zeigen, dass unsere Gesellschaft bunter wird. Im globalen Wettbewerb sind Unternehmen auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen, die sich flexibel den internationalen Herausforderungen stellen. Mit interkulturellem Mentoring können Potenziale für die Wirtschaft erschlossen werden. Darüber hinaus kann Mentoring helfen, die Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt insgesamt und speziell in Führungspositionen zu verbessern. Am Ende profitieren alle von einem gesellschaftlichen Klima, das von Offenheit, kultureller Vielfalt und internationaler Orientierung geprägt ist.
Was sind die Herausforderungen?
Menschen mit Migrationshintergrund bringen vielfältige Potenziale mit: Sie sind in der Regel flexibel, offen für Neues und besitzen überproportional häufig Unternehmergeist. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt treffen diese hochmotivierten Personen jedoch auf zahlreiche Hürden wie zum Beispiel die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Allzu oft fehlt schlicht das Wissen über Zugänge zum deutschen Arbeitsmarkt. Und nicht zuletzt fehlt es vielen Neu-Zugewanderten an Netzwerken zu relevanten Personen. Hier kann Mentoring gezielt ansetzen und das für die individuelle Karriere relevante Wissen vermitteln. Vor allem bei der sehr heterogenen Gruppe der geflüchteten Menschen können so Hochqualifizierte gezielt gefördert werden.
Wie können die Mentorinnen und Mentoren konkret unterstützen?
Sie können insbesondere die fehlenden Netzwerke der Zugewanderten ausgleichen, indem sie ihre Netzwerke für die Mentees öffnen. Für Neu-Zugewanderte wie z.B. Geflüchtete ist zudem die Reflexion über den deutschen Arbeitsalltag von Bedeutung. Etwa die Frage, wie eine Arbeitsbesprechung in Deutschland abläuft. Aus der Eliteforschung wissen wir, dass ein Erfolgsfaktor in herausgehobenen Führungspositionen ein bestimmter Habitus ist, d.h. die Verkörperung von unausgesprochenen und oft unbewussten Regeln. Wie gibt man sich als Chef bzw. als Chefin? Für Zugewanderte der zweiten oder dritten Generation, die oft aus Nicht-Akademiker-Familien stammen, kann das Mentoring Einblicke in Lebenswelten bieten, die ihnen bis dato fern waren.
Worauf kommt es in interkulturellen Mentoringbeziehungen an?
Wie bei jedem Mentoring ist ein gutes Matching von Mentor*in und Mentee von zentraler Bedeutung. Natürlich kommt der interkulturellen Kompetenz von Mentor*in und Mentee ein hoher Stellenwert zu. Dazu gehört die Offenheit und Wertschätzung von kultureller Vielfalt und die Fähigkeit, Handlungen vor dem Hintergrund des jeweiligen Kulturraums zu reflektieren. Im Mentoring mit Geflüchteten ist zu berücksichtigen, dass die Personen oft traumatisiert sind. Hier sollten Mentor*innen für den Umgang mit Traumatisierten sensibilisiert und vorbereitet werden.
Gibt es Mentoring-Formate, die in diesem Kontext eher geeignet sind als andere?
Grundsätzlich ist jede Mentoring-Form geeignet. Peer-to-Peer-Formate haben den besonderen Mehrwert, dass sich Mentees leicht mit Mentor*innen identifizieren können, die selber einen Migrationshintergrund oder eine Fluchterfahrung haben. Dabei ist weniger relevant, aus welchem Land jemand nach Deutschland zugewandert ist. Allein die geteilte „Migrationserfahrung“ kann als „Türöffner“ dienen.
Vielen Dank für das Gespräch!